Purl & Plausch #3 Wollsucht und ihre Ausmaße

Wollsucht und ihre Ausmaße – ein liebevoller Blick auf unser farbenfrohes Laster

Es gibt Leidenschaften, die sind einfach harmlos – und dann gibt es die Wollsucht.
Diese ganz spezielle Mischung aus Herzklopfen, wenn man neue Farben sieht, Gänsehaut, wenn man den ersten Strang einer neuen Qualität in der Hand hält, und reinem Glück, wenn das Garn über die Finger gleitet.

Manche nennen es „Sammelleidenschaft“. Andere schmunzeln.
Aber wir wissen: Es ist ernst.
😅

 

Der Anfang einer großen Liebe

Die Geschichte beginnt fast immer gleich:
Ein Knäuel, gekauft „nur zum Ausprobieren“.
Dann noch ein Strang, weil die Farbe so perfekt ist.
Und ehe man sich versieht, hat man einen kleinen Vorrat – liebevoll „Stash“ genannt – der wächst wie ein gut gedüngter Kürbis im Hochsommer.

Zuerst passt alles noch in eine Schublade.
Dann in zwei.
Und irgendwann zieht der Stash um: ins Regal, in Kisten, unter das Bett, in den Wäscheschrank („Da findet ihn keiner!“).
Und trotzdem – wir wissen genau, wo jede Farbe liegt.

 

Wollfeste, Wollreisen und das große Abenteuer

Wer einmal auf einem Wollfest war, weiß, was Euphorie bedeutet.
Menschen, die vor Freude quietschen, weil sie einen bestimmten Farbton gefunden haben.
Leute, die sich in Garnschlangen einreihen, als ginge es um Konzertkarten.
Und Gespräche über Maschenproben, die klingen, als würden wir das Universum entschlüsseln.

„Nur schauen, nichts kaufen!“ – dieser Satz ist der wohl bekannteste Selbstbetrug unter Wollliebhabern.
Kaum betritt man eine Messehalle voller Farben, Fasern und Strickgemeinschaft, ist es um einen geschehen. – Oder sind es bei dir vielleicht die Stoffe? Mhh?
Da wird gefühlt jeder zweite Strang gerettet – *räusper* gekauft – und im Koffer so strategisch verstaut, dass er beim Heimkommen ganz bestimmt niemandem auffällt.

„Was, der? Den hab ich doch schon eeewig, was du schon wieder hast!?“, sagen wir dann mit unschuldigem Blick – während der neue Schatz heimlich ins Wollregal einsortiert wird. 😇

Wollfeste sind Ausnahmezustand und Glücksrausch in einem – die heiligen Hallen der Handfärbekunst.
Und wenn das Auto beim Heimfahren ein bisschen tiefer hängt, liegt das selbstverständlich an der schlechten Straßenlage – nicht an den 28 Strängen auf der Rückbank.

Wollreisen sind übrigens die logische Weiterentwicklung.
Warum an den Strand, wenn man nach Yorkshire, Tirol oder ins Waldviertel fahren kann – dorthin, wo Schafe weiden und Wolle zuhause ist?

 

Heimlich, still und flauschig

Es gibt sie, die stillen Rituale der Wollsüchtigen.
Das heimliche Einschmuggeln neuer Stränge ins Wollregal – perfekt zwischen alte Bekannte gemogelt.
Die kleine Notlüge: „Ach, der? Der ist NICHT neu!“
Das verstohlene Rascheln von Papier, wenn man spätabends noch einmal den neuen Schatz streichelt.

Und manchmal, ganz selten, beichten wir. „Ja, ich hab wieder gekauft.“
Aber das klingt gar nicht reumütig – eher stolz. Denn Hand aufs Herz: Jeder Strang erzählt eine Geschichte, trägt eine Stimmung, ein Gefühl.

 

Wenn der Stash ein Eigenleben entwickelt

Irgendwann fängt der Stash an, uns zu überlisten.
Da tauchen Farben auf, an die wir uns gar nicht erinnern.
Wir finden Wolle in Projekttaschen, die wir längst vergessen hatten.
Und trotzdem wissen wir bei jedem Strang: Warum wir ihn gekauft haben.

Vielleicht, weil er uns an ein Licht im Herbst erinnert.
Oder an ein Lachen im Sommer.
Oder einfach, weil wir wussten: Der gehört zu mir.

 

Vom Kaufen zum Verarbeiten – oder auch nicht

Natürlich stricken, häkeln und weben wir auch.
Aber oft sind die Ideen schneller als die Nadeln.
Manchmal warten Stränge jahrelang – geduldig, treu, voller Potenzial.
Und wenn wir sie schließlich anstricken, wissen wir wieder:
Das war kein Fehlkauf. Das war Schicksal.
💛

 

Die gute Nachricht

Wollsucht ist keine Krankheit. Sie ist ein Lebensgefühl.
Sie schenkt uns Momente der Ruhe, der Kreativität, der Verbundenheit.
Sie lässt uns träumen, gestalten, ankommen.
Und sie bringt uns mit Menschen zusammen, die genauso verrückt sind wie wir – und das ist einfach schön.

Denn was wären wir ohne diese bunten Stränge, ohne das leise Knistern im Topf beim Färben, ohne die Wärme, die sich einstellt, wenn wir Masche für Masche entstehen sehen?

 

Fazit

Wollsucht ist Liebe in Garnform.
Sie riecht nach Schaf, nach Seide, nach Glück.
Sie bringt uns zum Lachen, manchmal zum Augenrollen, aber immer zum Staunen.

Und vielleicht – nur vielleicht – brauchen wir gar keine Therapie.
Nur ein bisschen mehr Platz im Regal.
🧺💫

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